Der Bund – 24 Januar 2011

Eine Weltraumkiste und ein fulminanter Bildersturm: Ania Losinger, Mats Eser und die Xala III am Be-Jazz-Winterfestival.

Xala III – im Namen klingt die Raumfahrttechnologie an. Und auch wenn die flache Kiste auf der Bühne aussieht wie ein schlichtes Lagerpalett – total verkehrt ist das gar nicht. Zum einen steckt in diesem vom Burgdorfer Instrumentenbauer Hamper von Niederhäusern entwickelten Gerät wohl ähnlich viel Erfindergeist und Ingenieurswitz, wie in einem handelsüblichen Weltraumteleskop. Zum anderen überwindet die Berner Tänzerin und Klangforscherin, Ania Losinger, die diese Xala III am Freitag im ausverkauften Saal der Vidmarhallen bedient, damit tatsächlich – und unglaublich spielerisch – die gängigen Vorstellungen von Raum und Zeit. Der Vollständigkeit halber sei hier angefügt, dass damit Klangräume gemeint sind und die temporalen Strukturen der Musik. Wie Losinger diese Weltraumkiste zum Klingen bringt? Ganz einfach: so wie die Vorgängermodelle. Die Xala III ist ein tanzend bespielbares elektroakustisches Xylofon.

“Shanghai Patterns”, so heisst das neue Programm mit welchem Losinger und Mats Eser (Marimba/Percussion) im Rahmen des Be-Jazz-Winterfestivals Premiere feiern. Die hektische Betriebsamkeit der grössten Stadt Chinas greifen die beiden Musikern denn auch im Einstieg auf. Eser gibt einen hohen Puls und flirrende Dissonanzen vor, Losinger antwortet mit rasanten Flamenco-Schritten und wuchtigen Bässen. So heben sie ab in eine Klangsphäre, die nicht selten jener einer Tropfsteinhöhle gleich. Aus allen Richtungen – die Xala III ist ein Stereo-Instrument – und in einem oft undurchschaubaren bis verrückten Rhythmus fliegen die Töne heran. Bald heftig fauchend und aufbrausend, bald weich und zart, mal freundlich tänzelnd, dann grollend in schwerblütigem Moll. Losinger und Eser dirigieren hier einen Bildersturm mit unwiderstehlichem Sog. Es fliesst und stockt, es rauscht und rollt und, ja, es rockt.
Christoph Lenz