Dienstag, 26. März 2002 – Flensburger Tageblatt
Diese Frau ist schon etwas sehr Spezielles, eine ganz besondere Vertreterin des Bühnen-Crossovers. Wer Ania Losinger zuvor in der Pilkentafel-Produktion “Hin und Weg” gesehen hat, für den mag der Name der 32 Jahre alten Schweizerin Grund genug gewesen sein, “Xala” am Donnerstag oder Freitag an der Pilkentafel zu besuchen. Der Name des Instruments ist Programm, und beides sind Unikate.
Die Xala ist ein 2,6 mal 1.7 Meter grosses, rund 400 Kilogramm schweres, für den Transport zusammenklappbares Boden-Xylophon, das vorwiegend mit den Füssen gespielt wird, die vorzugsweise in Flamenco-Schuhen stecken. Und sich am unteren Ende der famosen Beine Ania Losingers befinden.
“Xala” ist in erster Linie ein Perkussionskonzert und nur in zweiter Linie Tanztheater. Wie in einem Konzert ist der gut einstündige Abend aufgeteilt in einzelne Stücke von wenigen bis vielleicht fünfzehn Minuten; zwischendurch gibt es reichlich Applaus und Licht aus. Die meisten der 24 Klangelemente, die auf einem Metallrahmen befestigt sind, bestehen aus Padoukholz aus Ostafrika. Andere sind aus Metall, jedes ist anders gestimmt. Der einzige Hersteller von Marimbas, den die Schweiz zu bieten hat und dessen Name Hamper von Niederhäusern bereits Klang ist, zeichnet sich für Ania Losingers Xala verantwortlich.
Die Dramaturgie des Abends folgt der konstanten Steigerung der Komplexität der Perkussionsarbeit oder besser —kunst. Zuerst geht Ania Losinger nur im Kreis, anfangs unhörbar, dann kaum, später immer besser hörbar, dabei stets rhythmisch, am Ende laut. In einer der nächsten Nummer benutzt sie Stangen als zusätzliches Schlagwerk, mit denen sie senkrecht aus wenigen Zentimetern Höhe auf die Klangelemente klopft.
Ania Losinger hat auch recht handelsübliche Klöppel im Köcher, und damit sie sich nicht wie ein Schimpanse weit nach unten beugen muss, legt sie sich lieber gleich rücklings auf die Xala. Doch wie jetzt die Füsse benutzen? Na klar: Po und Beine hoch, Füsse hinterm Kopf wieder runter und dann mit den Spitzen Töne gespielt — verschiedene sogar! Zu “Xala” gehört auch eine Portion augenzwinkernder Artistik und akrobatischer Aesthetik.
Doch wirklich frappierend sind die Rhythmen, die Ania Losinger klopft, schlägt, streicht , stampft. Höhepunkt der Undurchschaubarkeit: zwei Füsse mit je zwei Schlagflächen, Stange in der linken und ein Klappinstrument in der rechten Hand, jedes “Instrument” spielt einen anderen Rhythmus. Aber Ania Losinger kommt vom Flamenco, und der hat ja nicht nur schöne, aufrechte, stolze Tänzerinnen, sondern auch äusserst vertrakte Takte.
Zum Ausruhen streut die Schweizerin eine Nummer ein, in der sie auf einem Stuhl sitzend sparsam rhythmische Fussgymnastik bietet. Dann jedoch wieder ausladende Tanzschritte, die ihr eigentlich den Schweiss auf die Stirn treiben müssten, sie jedoch nur zu einem geheimnisvollen Lächeln verleiten, das den besonderen “Xala”-Zauber ausmacht. Möge Ania Losinger noch häufig den Weg aus der Schweiz in das entfernte Flensburg finden.
Joachim Pohl