Mittwoch, 12 Januar 2005 – Berner Zeitung
Spartanisches Ballett zum Fernsteuern
Neues Forschungsergebnis aus dem Tonus Music Labor: Don Lis minimalmusikalische Komposition ist durchaus telegen. Ania Losinger spielt und tanzt sie auf der Xala, dem einzigen Bodenxylofon der Welt – jetzt zu sehen auf DVD.
Ballett V: ein einziger Xylofonstab leuchtet im Dunkeln. Leuchtet aus den anderen heraus, die in reih und Glied unsichtbar vibrieren. Kontrastiert die schwarze Silouette der Tänzerin, spiegelt ihren präzis gesetzten Flamencoschuh. Und klingt anders als die anderen, die knöchernen, klingt wie eine Kirchenglocke, wenn die Tanzende ihn anschlägt mit dem Stock, den sie führt, wie eine Lanze.
Fernsehen als Meditation
Ania Losinger wirkt wie eine Amazone. Athletisch ist ihr Körper, Disziplin und Konzentration sprechen aus ihren Bewegungen. Ihr Ballett ist sparsam, spartanisch; die Choreografie, die streng der Partitur des Komponisten Don Li folgt, erlaubt nur wenige geschmeidige Schnörkel. Umso mehr wirken diese – eine Drehung um die stolze Achse, ein ausladendes Führen der Stöcke: ritualisierte Abläufe, die an fernöstliche Kampfsportarten erinnern. Ungewohnt ist es, so etwas am Bildschirm zu sehen. Diese Langsamkeit, Genauigkeit, Gleichförmigkeit. Am Anfang des stündigen DVD-Programms macht man also regen Gebrauch von der Möglichkeit, den Blickwinkel mittels Fernbedienung selbst zu wählen und so etwas “Action” ins Geschehen zu bringen. Drei Kameras haben das “New Ballet for Xala” gefilmt: von vorn, von oben und von der Seite, auf die Füsse fokussiert. die Schnitte kann man selber setzen, die Effekte im eigenen Rhythmus geniessen. Von oben wirkt die tanzende Musikerin um ihren Schatten verdoppelt, von der Seite kann man ihre filigrane Fussarbeit verfolgen. Doch mit der Zeit und unter der bündelnden Wirkung der “Minimal Music”, die Don Li für Losinger und Xala komponiert hat, lässt man die Spielerei bleiben. Verweilt bei der Frontalansicht, die durch das monochrom fliessende, klanggesteuerte Farbkonzept des Musikvideo-Cracks Pierre-Yves Borgeauds besticht. Gibt sich dem Gesamtkunstwerk hin wie einer Meditation, die nach und nach eine zentrierende Wirkung entfaltet.
“Der Film ist ungeschnitten”, erklärt Ania Losinger im Bonus-Track, der Einblick in die Arbeit gibt, die hinter der formvollendeten Performance steckt – “und ungeschnitten entwickelt er eine starke Sogwirkung.” Mit der Sogwirkung kennt man sich aus im Tonus Labor in der Berner Altstadt, wo die Xala-Spielerin seit Jahren eng mit dem Chefideologen Don Li zusammenarbeitet. “Repetition ist nicht Wiederholung des Immergleichen” erläutert er das Konzept, das allen Tonus-Produktionen zugrunde liegt, “Repetition ist vielmehr eine Vertiefung des Immergleichen.” Seine stündige Surround-Komposition verbindet die archaischen Xalaklänge mit den sentimentalen Melodiebögen des Tonus String Quartet und kreisenden Cyberspacesounds aus dem Computer.
Zeit als Träger
“Don Lis Musik passt zu mir und meinem Instrument” sagt Ania Losinger, “durch Repetition kommt der Körper in Schwingung und die Schwingung hebt die Schwere des Körpers auf.” Schwere? Wenn man mit dem ganzen Körper spiele sei man schwerfällig, erklärt die agile Amazone, brauche man Zeit, von Ton zu Ton zu kommen. Doch wer ihr zuschaut und zuhört, denkt kaum an Schwere. Auch nicht an Leichtigkeit. Eher an – Spannung.
Tina Uhlmann