Dienstag, 9. Juli 2002 – Zürichsee Zeitung
Mit getanzter Musik überraschte am Sonntag die Konzertreihe im Neuguet. Ania Losinger und Don Li boten dem Publikum eine spektakuläre Performance.
Die von Philipp Bachofner und Britta Ostertag seit nunmehr neun Jahren geleiteten Neuguet-Matineen sind immer für Entdeckungen gut. Für den vergangenen Sonntag kündigte das Programm “Xala” an. Was unter diesem Begriff zu verstehen ist, wurde erst beim Betreten des duftigen Heubühnen-Saales ersichtlich: ein etwa zwei mal drei Meter grosses, xylophonartiges Instrument auf dem Boden.
Auf Rhythmus gebaut
Diese Instrument stand im Mittelpunkt des Konzertes. Gespielt — oder vielmehr betanzt — wurde es von der Berner Tänzerin und Musikerin Ania Losinger, für die es eigens angefertigt wurde. Mit sanften schritten entlockte Losinger der Xala zunächst nur leise Töne, untermalt von rhythmischem Klatschen. Den Rhythmus nahm darauf Saxophonist Don Li mit der Bassklarinette auf. So entwickelten die beiden das erste Stück, das zeigte, in welche Richtung die Matinee gehen würde: Kompositionen mit seriellem Charakter sowie Anklänge an die Minimal Music und den Jazz.
Auch die folgenden neun Stücke beschränkten sich auf rhythmische Formen, auf deren Grundlage das gesamte musikalische Geschehen aufbaute. Auf diese Weise geriet das Konzert zur eigentlichen Performance, die weit über das Musikalische hinausgehende, nachhaltige visuelle Eindrücke hinterliess.
Zuerst die Füsse
Losinger benutzte für ihr tanzendes Spiel primär die Füsse. Mit den Schuhspitzen erzeugte sie Glockenklänge, mit den Absätzen dumpfe Töne, mit kreisenden Bewegungen schleifende Geräusche. Die Tänzerin — vom Flamenco geprägt, aber offensichtlich auch im Stepptanz nicht unerfahren — brachte mit rhythmischem Klatschen, allerlei Schlagwerk und Kastagnetten zudem die Hände ins Spiel.
Mit langen Stäben, mit denen sie der Xala zusätzliche Töne entlockte, schuf sie schliesslich eine Verbindung zwischen Hand und Fuss. Mit einer unglaublichen Körperbeherrschung brachte sie das Spektrum eines ganzen Schlagzeuges zum Klingen und erzeugte so eine überraschend vielfältige Klangwelt ganz unterschiedlicher Töne.
Farbe und Fülle
Don Li nahm seinerseits Losingers Klangskulpturen mit der Bassklarinette oder dem Saxophon auf, gab ihnen Farbe und Fülle, hielt sich jedoch meistens soweit zurück, dass der Tänzerin genügend Raum blieb. Mit Lust am Spiel entwickelten beide zusammen eine ganz eigene Klang- und Rhythmuswelt, die — scheinbar mühelos — mehrfach in eine rasante Dynamik mündete, aber gelegentlich auch von getragenen, ja sphärischen Klängen bestimmt wurde. Wen wunderts da, dass das Publikum mit langanhaltendem Applaus eine Zugabe forderte, deren rasante Läufe ein umwerfendes Tempo annahmen.
Adrian Scherrer