Bernerzeitung – 7 Mai 2009
Seit zehn Jahren betanzt und bespielt die Bernerin Ania Losinger die Xala, ein eigens für sie gebautes Bodenxylofon.
Für das Programm «The Five Elements», das jetzt auch als CD erscheint, hat sie erstmals selbst komponiert – ein Quantensprung, den sie im Gespräch als grosses Glück beschreibt.
Ihr neues Werk ist eine Vertonung der fünf Elemente Erde, Wasser, Feuer, Metall und Holz. Leben Sie, Ania Losinger, im Einklang mit Ihrer natürlichen Umgebung?
Ania Losinger: Ich wohne und arbeite in Gerzensee, wo der Himmel sehr gross ist und ich von Natur umgeben bin. Gerade jetzt, im Frühling, zu erleben, wie sich alles, was lebt, auftut, entfaltet – das ist magisch.
Magisch wirkt auch die Musik auf Ihrer neuen CD. Beim Zuhören ist man wie hypnotisiert. Sind Sie beim Spielen selbst in einer Art Trance?
Trance würde ich es nicht nennen, eher einen Zustand äusserster Präsenz, wie ich ihn sonst nicht erreichen und erleben kann. Ich höre und registriere alles, was im Raum passiert, jeden einzelnen Ton, die Obertöne, Schwingungen, Resonanzen. Alles. Und alles gleichzeitig.
Das will etwas heissen bei der Komplexität der rhythmischen Muster, die Sie mit dem Perkussionisten Matthias Eser entwerfen. Wie sind die Muster entstanden?
Das war und ist ein langer Prozess, während dessen wir auch abstruse metrische Überlagerungen gewagt haben. Zum Beispiel einen Achtertakt über einem Siebnertakt – für europäische Ohren sehr ungewohnt. Was wir hier gut kennen, ist die Überlagerung des Dreier- und des Vierertaktes, wie sie in Afrika sehr verbreitet ist und heute fast alle Popsongs prägt. Doch musikalische Floskeln interessieren uns nicht.
Sie suchen neue musikalische Formeln?
Gewissermassen. Die CD «The Five Elements» heisst im Untertitel «Vol.I» – das heisst, wir werden weiterforschen. Während unserer Auseinandersetzung mit dem chinesischen Zyklus der fünf Elemente sind wir auf derart spannende Dinge gestossen
Zum Beispiel?
Zum Beispiel darauf, dass die Überlagerung eines Dreiertaktes mit einem Achtertakt, wie er sich bei den Chinesen aus der Zuordnung der Zahlen zu den Elementen ergibt, auch im Flamenco vorkommt.
Der Flamenco hat ja auch asiatische Wurzeln. Und da waren Sie als ausgebildete Flamencotänzerin im Element! Hat der Tanz auf der Xala in der Folge an Bedeutung gewonnen?
Ja, das hat er. Mein Traum war es immer, Tanz und Musik gleichberechtigt in einer einzigen Person zu vereinen, doch in der Praxis sah das bisher so aus, dass die Bewegungsabläufe auf der Xala sich meist nach den rhythmischen Vorgaben richteten und selten umgekehrt.
Warum hat sich das geändert?
Vielleicht weil ich erstmals selber für Xala komponiert habe – ein grosses Glück. Zwei Dinge waren mir wichtig dabei: Ich wollte nicht nur aus mir selbst schöpfen, sondern mich mit einem Thema auseinandersetzen – so bin ich auf die fünf Elemente gekommen, die ich bereits aus der chinesischen Medizin kannte. Und nachdem wir das Programm live erprobt hatten, war mir auch klar, dass ich «The Five Elements» nicht mit Klick aufnehmen wollte wie meine bisherigen CDs.
Der Klick ist eine Art Metronom, das alle beteiligten Musiker bei den Aufnahmen im Ohr tragen. Zu präzis, wenn es um die Vertonung von Naturgesetzen geht?
Präzision ist sehr wichtig, doch ohne Klick konnte unsere Musik bei den Aufnahmen im Studio natürlicher «atmen».
Schwieriger wird das wohl in einem grösseren Ensemble. Sie haben auch schon mit dem Berner Symphonieorchester gespielt. Wie war das für Sie?
Beim BSO mussten wir – der Komponist Don Li und ich – gegen grosse Widerstände ankämpfen. Das hat viel Energie gekostet. Vor allem die damalige Direktorin war wenig angetan von dem Projekt, das noch ihr Vorgänger eingefädelt hatte. Als wir an der Premiere dann volles Haus hatten, waren plötzlich alle begeistert. Das hat mich abgestossen.
Trotzdem treten Sie weiterhin mit Ensembles auf?
Ja, natürlich. Mit dem Xala-Bauer Hamper von Niederhäusern habe ich sogar ein neues Xala entwickelt, das vom Tonspektrum über zwei Oktaven und von der Stimmung der einzelnen Töne her kompatibler ist. Ausserdem ist die Klangqualität durch Röhren, die unter den Holzteilen liegen, verfeinert worden. Das kam mir in der Arbeit mit Matthias Eser entgegen. Von ihm habe ich gelernt, wie viel in diesem Bereich möglich ist. Im Zusammenspiel von Xala und Marimba haben wir jene Klangkombinationen gesucht, die auftun, sich und den Raum öffnen.
Wie Frühlingsgewächs unter dem grossen Himmel von Gerzensee. (Lacht) Nun, ganz so gross ist das Volkshaus in Basel, wo wir «The Five Elements» aufnahmen, nicht. Aber trotzdem war es etwas völlig anderes, als in einem engen Tonstudio zu arbeiten.
War diese Arbeit insgesamt auch eine Emanzipation vom Berner Tonus-Music Labor und seinem Doyen Don Li?
Ich habe unglaublich viel gelernt von Don Li. Er ist ein sehr grosszügiger Musiker, der seine Erkenntnisse mit anderen teilt. «The Five Elements Vol. I» erscheint auf seinem Label Tonus-Music Records – und bevor wir mit den Aufnahmen begannen, bekamen wir die Carte blanche vom ihm. Das zeugt von einem Vertrauen, das mich ehrt. (Berner Zeitung)
Tina Uhlmann