Heidenheimer Zeitung – 14.04.2018
Ania Losinger zeigte mit ihrer Xala eine völlig neue Symbiose von Tanz und Musik in der Heidenheimer Stadtbibliothek.
Ein Instrument, das gemacht ist für einen fetten Sound: So beschreibt die Schweizerin Ania Losinger ihre Xala, mit der sie am Donnerstagabend zusammen mit Mats Eser am E-Piano die rund 90 Gäste in der Heidenheimer Stadtbibliothek auf eine Reise in ganz neue Klangwelten mitgenommen hat.
Wobei die Xala, abgeleitet vom baskischen Perkussionsinstrument Txalaparta, auf den ersten Blick gar nicht danach aussieht, als würde man ihr Töne entlocken können. Ein kleines Podest aus Holz- und Metallplatten, das unauffällig in der Mitte der Bühne steht. Beleuchtet von ein paar Scheinwerfern, im Hintergrund eine weiße Leinwand. Daneben das ebenso schlichte Fender Rhodes, ein Elektropiano aus den 70er-Jahren. Zurückhaltung scheint die Devise.
Gefüge aus Rhythmus und Takt
Dann tritt Losinger auf die Bühne, ganz in Schwarz und mit ganz viel Glitzer. Sie macht ein paar anmutige Schritte, in jeder Hand einen langen Holzstab. Als sie los legt, ist da keine Spur mehr von Zurückhaltung. Mit dem ersten kräftigen Tritt auf den hinteren Teil der Xala ertönt ein satter Bass, die zweite und dritte Fußbewegung lassen sphärische Klänge durch den Margarete-Hannsmann-Saal schweben.
Was dann folgt, ist eine ineinander übergehende Abfolge an Schritten und Tönen, die mal jazzig daherkommen, mal perkussiv und auch mal ganz klar und reduziert, wenn Mats Eser am Piano in den Vordergrund tritt. Überhaupt sind die beiden ein perfekt aufeinander abgestimmtes Team. Ein Blick genügt, um punktgenau das nächste Stück anzuspielen; jeder Schritt sitzt, jeder Ton hat die richtige Lautstärke und Dynamik und jeder Tastenanschlag ergänzt die Performance und macht sie gemeinsam mit der wechselnd beleuchteten Leinwand zu einem Gesamtkunstwerk. Ein Rhythmus-Takt-Gefüge, das durch nichts aus der Ruhe zu bringen ist.
Und bei jeder Bewegung kommt in Ania Losinger die Flamencotänzerin durch. Ein Fuß schlägt, der andere rutscht seitlich nach vorne weg, geht rhythmisch auf und ab, dazu die eleganten Handbewegungen einer Tänzerin – unwillkürlich fragt sich der Zuschauer da, wie Losinger diese unglaublich schnellen Schrittfolgen in den zum Großteil über fünf Minuten dauernden Stücken durchhält, ohne einen Wadenkrampf zu bekommen. Davon jedoch scheint die Schweizerin weit entfernt zu sein: Mühelos schwingt sie die beiden Holzstäbe, flicht hier und da noch eine schnelle Drehung ein und zeigt dabei den ganzen Abend über nichts als ein konzentriertes Lächeln.
So neu und ungewohnt die Klänge der Xala zusammen mit dem E-Piano in den ersten zehn Minuten sind, so schnell gewöhnt sich der Zuhörer dann aber an die ruhigen, teilweise fast schon meditativen Klänge. Und so keimt noch vor der Pause die Befürchtung auf, dass die Bandbreite des ungewöhnlichen Perkussionsinstrumentes nicht allzu groß ist.
Zur zweiten Hälfte des Abends erscheint Ania Losinger in neuem Outfit, und als wäre das ein Zeichen, erwartet die Zuschauer und Zuhörer dann doch noch die ein oder andere Überraschung. Zum Beispiel die, dass auch im Tanz und der Musik weniger manchmal mehr ist, denn am eindrucksvollsten präsentiert Losinger ihre Xala ausgerechnet in dem Stück, in dem sie mit reduzierten Klängen und ganz ohne die beiden Stöcke arbeitet.
Simpel, aber gut
Zurückhaltend startet Mats Eser ein Solo am Piano, Losinger steigt wortwörtlich mit ein, die Flamencoschuhe kratzen über die Xala und erzeugen einen Ton wie auf einem Becken. Der mächtige Bass, der dann ertönt, erinnert an einen Donnerschlag. Simpel, aber gut – und letztlich schade, dass die beiden nur eines von elf Stücken auf diese reduzierte Art und Weise gespielt haben. Dennoch: Das komplizierte Zusammenspiel von Takt, Tanz und Ton hat überzeugt – und war mal etwas völlig anderes.
Joelle Reimer