Heidenheimer Zeitung – Samstag, 1. Februar 2014
Xala: Ania Losinger erklärt im Interview ein Instrument, auf dem Musik getanzt und Tanz musiziert wird
Das chinesische Schriftzeichen Fú bedeutet Glück. Wie klingt aber ein fernöstliches Schriftzeichen?
Welches Bild ruft seine Bedeutung hervor? Mit diesen Gedanken kreieren die Schweizer Künstler Ania Losinger und Mats Eser das Programm “Fú – getanzte Klangskulpturen”…
Ihr Instrumentarium besteht aus einem Percussion-Set und der elektroakustischen Xala III. Wobei es sich bei einer Xala, schlicht formuliert, um einen tönenden, xylophonartigen Tanzboden handelt, auf dem Musik getanzt und Tanz musiziert werden kann.
Ania Losinger tritt – von New York bis Shanghai – seit 1999 mit diesem Instrument auf; seit 2005 zusammen mit Mats Eser, der als Multi-Instrumentalist mit Marimba, Vibraphon, Fender Rhodes, Drums, Glasinstrumenten, Becken und asiatischen Gongs immer neue Klang-Mixturen kreiert.
Mit Ania Losinger hat sich im Vorfeld des Heidenheim-Gastspiels Manfred F. Kubiak unterhalten.
Als wir diesen Termin vereinbarten, Frau Losinger, haben Sie mir erzählt, dass ich Sie dann im Urlaub erwischen würde. Und jetzt bin ich schon neugierig: Wo urlauben Sie denn, von was halte ich Sie ab?
Sie erwischen mich in den Bergen, in Lenzerheide in Graubünden, zusammen mit meinen Kindern, da in der Schweiz gerade Sportferien sind, wie man das nennt. Und wir fahren hier Ski, Rodel, Schlittschuhe, was man so macht im Winter in den Bergen.
Haben Sie beim Skifahren keine Angst um Ihre Arme und Beine? Schließlich brauchen sie die ja spätestens in Heidenheim.
Nein, ich bin eine sehr routinierte Skifahrerin. Vorsichtig bin ich schon, aber Angst habe ich keine.
Was Sie auf der Bühne machen, ist ja wohl einzigartig auf der Welt, oder?
Ja, das kann man sagen.
War die Xala Ihre Idee?
Ja. Ich bin schon immer von dem Gedanken fasziniert gewesen, wie es wohl wäre, wenn ich als professionelle Flamencotänzerin mit meinen Füßen richtige Töne spielen könnte und nicht nur meinen Rhythmus auf den Holzboden stampfen. Aber die Entwicklung hin zur Xala war ein äußerst schwieriges Unterfangen mit vielen Rückschlägen und einer langen Entstehungszeit.
Sie haben die Xala zusammen mit einem Instrumentenbauer entwickelt.
Ja, aber zuerst habe ich selber mit Holz experimentiert, weil ich dachte, es kommt eher aufs Material an, darauf, dass etwas gleichzeitig einen Menschen tragen und dabei noch schwingen kann. Aber ich habe dann schon gemerkt, dass ich vom Instrumentenbau nur wenig Ahnung habe. Und in solchen Situationen spielt einem das Leben manchmal die richtigen Personen zu. In meinem Fall den Xylophon- und Marimbabauer Hamper von Niederhäusern.
Der hatte glücklicherweise auch richtig Lust, sich hinter meine Idee zu klemmen. Zwei Jahre lang haben wir dann zusammen experimentiert, bis 1999 die erste Xala fertig war. Aus Padoukholz – und ziemlich schwer.
Wie schwer?
400 Kilo (lacht).
Aber nicht das Ende der Xala-Entwicklung, oder?
Nein, 2004 kam die Xala II, die viel wärmer geklungen hat, wie ein richtiges Instrument. Und seit 2010 gibt’s noch die Xala III.
Wie schwer ist die?
Viel leichter, nur noch 100 Kilo (lacht). Entwickelt wurde sie fu?r einen Auftritt bei der Weltausstellung in Shanghai, wo man uns fu?r den spanischen Pavillon als Flamenco-Act haben wollte. Die Xala III ist elektroakustisch, funktioniert also erstmals auch mit Tonabnehmern, hat nicht nur Holz-, sondern auch Metalltöne, was, alles zusammen genommen, eine Mischung aus dem bekannt warmen und wiederum auch einem hochmodernen Klang ergibt.
Wie groß ist denn der Tonumfang einer Xala?
Die Xala II hat zwei Oktaven, die kleine und die eingestrichene, also vom c bis zum zweigestrichenen c. Das ist der ideale Bereich, in dem die Xala all ihre Vorzu?ge entwickeln kann. Die Xala III wiederum ist eher modulartig angelegt, mit zwei Basstönen, zweien in der Mittellage und zweien im Diskant, sodass ich jedes Intervall spielen kann, aber auch zum Beispiel Mats Eser begleiten, wenn der Marimba spielt. Je nach Art des Programms entscheidet sich, welche Xala zum Einsatz kommt.
Haben Sie schon fru?her ein Instrument gespielt?
Klavier, seit meinen Kindertagen; aber ich bin ein Bewegungsmensch, habe Rhythmik studiert, und der Tanz war immer ein großes Thema, selbstverständlich auch bei unseren Auftritten.
Konzerte sind das nicht, Tanzabende auch nicht: Wie nennen Sie das, was Sie machen? Musiktheater wäre ja wohl auch das falsche Wort.
Musiktheater machen wir schon auch, aber dann erzählen wir, erweitert durch die schauspielerische Dimension, eine Geschichte, zum Beispiel „Aschenputtel“. An Abenden wie demnächst in Heidenheim würde ich sagen, dass es Tanz- und Klangperformance als Beschreibung ganz gut trifft. Es ist eine sehr konzentrierte Form von Musik und Tanz mit starken visuellen Komponenten. Alles ist live, und kein Ton kommt vom Band.
Stimmt es, dass Sie mal Mitglied der Schweizer Nationalmannschaft in der Rhythmischen Sportgymnastik waren?
Ja, das stimmt (lacht). Da war ich 14, 15, und das war quasi meine körperliche Grundausbildung. Es ist ja weniger Tanz, sondern tatsächlich Sport. Aber es ist immerhin sehr elegant und hat mich zum Tanz gebracht.
Wie gut waren Sie denn, haben Sie auch was gewonnen?
(lacht) Ich habe mal einen Dreiländerkampf gewonnen . . .
Immerhin . . .
Aber da waren nur Deutschland, die Schweiz und Österreich dabei, während damals die Sportgymnastik von den Osteuropäerinnen dominiert wurde. Wenn die dabei waren und es eine von uns unter die ersten Zwanzig geschafft hat, war das toll. Allerdings hat mich die Sportgymnastik eine Form der Disziplin gelehrt, die sehr wichtig ist, wenn man Tänzer oder Musiker ist und dazu auch noch freischaffend. Da ist, man denke nur mal ans fortwährend notwendige Üben, Disziplin unumgänglich. Und so wurde aus der Sportgymnastin erst eine Flamencotänzerin und dann eine Tanzperformerin.
Das, was ich, was wir heute machen, hat mit Flamenco nicht mehr viel zu tun. Flamenco ist eine ganz andere Art von Musik und Expression. Unsere Art lässt viel mehr offen. mehr Raum für Bilder, Gefühle, Interpretationen.
Geblieben sind also bloß noch die Flamencoschuhe.
In der Tat, vom Flamenco sind nur noch die Schuhe geblieben, die ich nach wie vor bei Auftritten trage. Immer noch original, immer noch aus Madrid, immer noch vom selben Schumacher (lacht).
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