Zofinger Tagblatt – 25 November 2015
Zofingen Ania Losinger und Mats Eser führen heute Abend mit “The Five Elements” Unerhörtes im Kunsthaus auf
«Entgegenstellen darf ich mich den Vibrationen der massiven Holzstäbe nicht», sagt die Tänzerin und Klangerkunderin Ania Losinger. «Rhythmus und Klang müssen durch meinen Körper hindurchfliessen können. Ich spiele dieses Instrument nicht nur, ich bin selber Teil davon.» Die 45-jährige Künstlerin hat soeben den Schlusspunkt unter eine eindrückliche Performance gesetzt. Über 10 Minuten hat sie sich mit traumwandlerischer Sicherheit kerzengerade über ein Instrument bewegt, das es so nur einmal auf der Welt gibt. Das eigens entwickelte Bodenxylophon heisst Xala II und ist in Kooperation mit dem Instrumentenbauer Hamper von Niederhäusern entstanden. Begleitet hat sie bei dieser exklusiven Performance in ihrem Heim im bernischen Rumisberg ihr Lebenspartner Mats Eser (51). Beide leben und arbeiten sie hier in einem Haus, dessen Architektur ganz Ausdruck ihres Selbstverständnisses als Künstler ist. Ihr grosser, modular abtrennbarer Übungs- und Klangraum, dient ihnen zugleich als Wohnzimmer. Leben und arbeiten ist den beiden eins.
Musik der Vergegenwärtigung
Nochmals zurück zur Performance: Das Klangerlebnis ist von hypnotischer Kraft. Holz trifft auf Holz. Der ausgebildete Schlagzeuger Mats Eser legt mit fünf Schlägeln auf dem Marimbafon rhythmische Patterns. Ania Losinger, die ausgebildete Flamencotänzerin, ertanzt sich mit Füssen und zwei Stäben warme flirrenden Klangfarben. Wer die Augen schliesst, hat Mühe die einzelnen Klänge dem Marimbafon oder dem mächtigen Xala zuzuordnen. Es sind in komplexen Rhythmen gewobene Klangflächen, die sich im Raum ausbreiten. Subtil umspielen Variationen die Grundtexturen. Es ist als würden sich die beiden durch verschiedene Zustände hindurchspielen. Als Zuhörer fühlt man sich in eine Meditation versetzt.
Wer Ania Losinger zuschaut, glaubt zu sehen, wie energetische Wellen ihren Körper durchfluten. Es ist als würde sie auf einem belebten Organismus balancieren, dessen Kräfte aufnehmen und lenken. Ihre Körperspannung ist hoch. Sie ist richtiggehend im vibrierenden Klangspektrum ihres Instruments verwurzelt. Die Musikerin und Performerin geniesst die Bewegung, lässt ihren Körper Antworten finden auf die Fülle an Klang und Rhythmus, die aus den Holzstäben in den Raum aufsteigt. Was sich hier abspielt, ist ein hoch konzentrierter Dialog. Er strahlt eine enorme energetische Kraft aus.
Wer Ania Losinger und Mats Eser erstmals hört und sieht, ist fasziniert. Nur schon dieser kleine Ausschnitt aus der Performance «The Five Elements», die auch auf einer CD aus dem Jahr 2009 zu hören ist, sprengt das hierzulande vorherrschende Musikverständnis. Die Sprachlosigkeit des Publikums ist dem Duo vertraut. Seit vielen Jahren bespielt es Bühnen in ganz Europa. Und mit dem kompakteren und einfacher zu transportierenden elektroakustischen Xala III teils auch in der ganzen Welt. Mats Eser erläutert: «Wir erleben immer wieder, dass Konzertbesucher bildliche Eindrücke wie etwa den Tanz oder das Spiel der Schatten zur Sprache bringen. Wenn es darum geht, die Musik selber in Worte zu fassen, stossen sie an ihre Grenzen.»
Farben, Flächen und Texturen
Das hat auch seinen Grund. Die Kompositionen des Künstlerpaars knüpfen an sehr alte rhythmische Traditionen an. Wobei sich die beiden nicht als Rhythmusperformer sehen. Ania Losinger präzisiert: «Wir verwenden zwar komplexe Rhythmen. Doch verweben wir sie so ineinander, dass sie nicht schwer, sondern leicht wirken. Unsere Musik folgt keinen Liedstrukturen. Wir stellen farbige Flächen in den Raum.»
Der Begriff der Minimal Musik bildet einen Schlüssel zum Verständnis der Musik des Duos. Diese in den 60er Jahren aufgekommene Strömung moderner Musik gründet auf einer reduzierten, archaischen Form der Klangerfahrung. Sie fusst sowohl auf afrikanischen Polyrythmien wie auch auf perkussiven Traditionen Asiens.
Klangmuster mit Sogwirkung
Ania Losinger könnte mit ihrem einzigartigen Instrument auch Werke aus dem Kanon der er europäischen Klassik oder der Popmusik spielen. Es umfasst zwei Oktaven mit je 12 Tönen und Halbtönen. Doch Mats Eser betont: «Wir verzichten bewusst auf diesen mit Erwatungen spielenden Spannungsaufbau» Statt dessen herrschen repetitive Strukturen vor. Additiv verdichten die beiden den Klangteppich. Subtile Klangfarbenveränderungen oder Phrasenverschiebungen schaffen Varianz im hypnotischen Gefüge. Die Zuhörer werden in die Klangmuster hineingesogen. Diese Musik lebt vom Moment. Man sollte sie sich live gönnen.
Michael Flückiger