Donnerstag, 7 Mai 2009 – Der Bund
Im Schwebezustand
Ania Losinger, die einzige Xala-Spielerin der Welt, und Matthias Eser verzücken mit minimalen hypnotischen Klangrhythmen.
Grün leuchtet die neue CD von Ania Losinger und Matthias Eser. Grasgrüner Minimalismus. Da ist kein Bild, kein Text und nichts, was verführt, reizt, kitzelt. Erst auf den zweiten Blick erkennt man bewegte Verästelungen. Die unbeschriebene Farbfläche ist fein geädert. Ania Losinger löst das Rätsel auf: “Das Bild entstand aus einem Trommelfell, das der Fotograf Martin Möll mit einem grünen Scheinwerfer durchleuchtet und fotografiert hat. Es passt zu unserer Musik.” Und wie. Das Grün führt direkt ins Innere des Tonträgers. Hinein in einen organischen Kosmos aus minimalen Rhythmen, die sich in einem fantastischen Äderwerk zu Farbklängen verdichten, zu rhythmischen Pulsen, stehenden Patterns. Gestochen scharf sind die repetitiven Klangfiguren vom Bodenxylofon Xala und entwickeln mit der Marimba einen eigentümlichen Sog. Federnde Texturen, flirrend wie Feuer. Zuweilen klingen sie trocken wie dürres Holz. Oder glitzern wie Wasser. Hören wird hier zum perkussiven Verwandlungstheater, in dem sich Grenzen von Zeit und Raum auflösen.
Chinesische Zahlensymbolik
Der Schwebezustand ist Kalkül. Viel Improvisations- und Forschungsarbeit liege den minimalen, polyrhythmischen Impressionen zugrunde, sagt Losinger. Die metrischen Strukturen der fünf Stücke, die sie auf dem Tonträger zusammen mit dem Marimbaspieler und Perkussionisten Matthias Eser zum Zyklus bündelt, nehmen Bezug auf die Ziffern, die in der chinesischen Zahlensymbolik jedem der fünf Elemente zugeordnet werden. Erde, Wasser, Feuer, Metall und Holz. Jedes Element hat seine eigene Atmoshähre und Länge. Sie variiert zwischen 8 und 20 Minuten. “Jedes Stück ist aus einer musikalischen Kernidee entstanden, die das entsprechende Element versinnbildlicht und das wir weiterentwickeln”, so Losinger. Im Spiel verschmelzen die Instrumente zum Klangkörper. Das Ohr verliert sich in einem reizvollen Vexierbild, in dem Statik stets auch als Bewegung, Fläche auch als Fortgang gehört werden kann. Der Minimalismus verlange ein Höchstmass an Kondition und Konzentration, kommuniziert werde durch feinste Motive und Orientierungshilfen, die in der Musik eingearbeitet sind. Es könne passieren, sagt die Bernerin, dass einer mal rausfalle aus den hypnotischen Geflechten. Kein Grund zur Panik: “Diesen Momenten entspringt oft eine neue Inspiration.” Die Partnerschaft mit Eser habe ihr neue Dimensionen der Intensität eröffnet, sagt Losinger. Und Ideen: Im Kopf hat sie bereits die Kompositionsskizzen für ein neues Werk mit Xala, Marimba – und Orchester.
Marianne Mühlemann