Vom ersten Ton des chinesischen Yun Luo Gongs bis zum letzten Schlag der Absätze auf der Xala III dauert der Flug mit Shanghai Patterns 52 Minuten und 16 Sekunden. Das Künstler Duo Ania Losinger und Mats Eser hebt ab in der Neugier nach dieser megalomanen Stadt, nach ihrem Sound und Rhythmus, ihrem unwegsamen Körper. Es ist ein inspirierender und inspirierter atemloser Klanggang durch eine der grössten Siedlungsballungen des Planeten. Nach Shanghai gingen sie wegen der Weltausstellung 2010. Für diese Reise entstand eine neue Xala, flugtauglich in fünf Taschen verpackt und mit einem erweiterten elektroakustischen Klang ausgestattet. Die Xala III, die dritte Generation dieses weltweit einzigartigen, tanzend bespielbaren Instrumentes.
Der Aufenthalt in der grössenwahnsinnigen “Stadt des Drachen” löste einen Sturm der Eindrücke und Gefühle, eine Flut der Bilder und Töne, einen Sog an Fragen und Träumen aus. Nach der Rückkehr entstand in einem Prozess der Verarbeitung und Übersetzung der Shanghai Reise zuerst 2011 eine Bühnenversion von Shanghai Patterns. Nun folgt eine neu komponierte rein musikalische Fassung, die gleichzeitig der mittlere Teil einer 2014 erscheinenden CD Trilogie mit Xala III ist.
Shanghai Pattern hebt mit der Leichtigkeit des noch frischen Morgens ab, zieht einen Klangraum durch die Stadt und erzählt darin die Geschichten der Metropole. Geschichten von Glanz, Gigantismus, Arbeitswahn, Schnelllebigkeit, Armut und Schmutz, verwoben im nie endenden Pulsschlag der Strassen Shanghais zur Melodie des Lebens, immer weiter fliessend, mal getrieben von der gesichtslosen Masse, mal getragen von der Würde eines nie versiegenden individuellen Lächelns, das auch unter der zähen Dunstglocke der Megalopolis weiter aufblitzt.
Hier dicht, dann lose aber untrennbar verbunden legt Mats Eser magische Klänge, erzeugt in seinem Cockpit aus Marimba und asiatischen Gongs, über und unter die Xala. Und Ania Losinger bespielt auf genau zwei Quadratmetern, unter Einsatz des ganzen Körpers mit mannshohen Holzstäben und Flamenco Schuhen ihre dreizehn Klangflächen aus Holz und Metall.
Rhythmen und Töne versinken, verstocken, versteigen, verlaufen sich. Undurchschaubar, unheimlich, unwirklich, Unwiderstehlich. Sie hellen sich auf, purzeln, drehen und schweben in den Geschichten und Gesten der Stadt. Es zieht, platzt und reisst, es schwärmt aus, es vermengt und verspielt sich, es befiehlt, liebkost und tröstet mit dem letzten hellen Klang über das Ende hinweg.
Man kann ja die Replay Taste drücken.
Carlos Lügstenmann