Freitag, 4. August 2006 – Gmünder Tagespost

Faszinierender Tanz auf Klangplatten

Nach einer atemberaubenden Performance bilden sich Menschentrauben um das vierhundert Kilogramm schwere Bodenxylophon und entlocken der Xala klopfend Töne. Die Zuhörer gehen mit einem absolut neuartigen Instrument auf Tuchfühlung. Ania Losingers Traum, dass Bewegung und Klang verschmelzen, gleichberechtigt Ausdruck ihres Tanzes sind, wurde Wirklichkeit. 360 Zuschauer liessen sich in der Johanniskirche von Ihrer “Tanzmusik” mitreissen.

…Der Percussionist Matthias Eser hebt am Marimbaphon an. Einem leisen Tröpfeln gleich, entlockt er dem Instrument Klangbilder, die Losinger zunächst lautlos tanzend aufgreift, bis auch sie in den Rhythmus einstimmt, der sich immer mehr ausdifferenziert: Mit Flamencoschuhen und zwei menschenhohen Stöcken zaubern ihre Bewegungen ein polyrhythmisches Klanggebilde, das aus bis zu vier Melodielinien besteht. Tanz und Klang werden zu ebenbürtigen Mitteilungen ihres Körpers, der ganzheitlich gefordert ist, um dieses gigantische Instrument zu beherrschen. Aus ihrem Gesicht spricht vollste Konzentration, ihr Körper ist bis in die letze Sehne angespannt. Dennoch dreht sich die Künstlerin nicht um sich selbst – sie befindet sich in einer steten Wechselrede mit Eser. Xala und Percussions – neben Marimba verschiedene Becken, Gongs, Tamtams und weiteres Schlagwerk – korrespondieren kongenial: Das eine nimmt die Impulse des anderen auf, wiederholt sie und wandelt sie ab, entwickelt sie weiter.

Eine Musik entsteht leibhaftig vor den Augen des Publikums, die ganz ursprünglich anspricht. Harmonik lässt sich zwar unschwer erkennen, doch wirkt die Komposition basaler. Inspiriert von den Fünf Wandlungsphasen der chinesischen Naturphilosophie, Erde, Metall, Wasser, Holz und Feuer, evozieren Losinger und Eser in den fünf Teilen des Programms die zu den fünf Elementen gehörenden Attribute, Stimmungen und Naturzustände.

Wie stark ihre Musik von Jazz und Minimal Music inspiriert ist, bewies die Zugabe nach dem frenetischen, minutenlangen Applaus. Das noch nie dagewesene betanzbare Instrument der Bernerin Ania Losinger, gespielt mit Händen und Füssen wie eine Orgel, hat sich auf besonders aparte Weise in das Gefolge der Königin der Instrumente eingefügt…

Birgit Markert